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„Die Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft ist einfach eine gute Schutzmaßnahme“ – Interview mit Dr. Christian Albring

© Christian Albring

Dr. Christian Albring ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. (BVF). Zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten gehören auch das Impfen und die Impfaufklärung.

EFCNI: Pertussis, auch als Keuchhusten bekannt, wird in der Öffentlichkeit oft als Kinderkrankheit wahrgenommen. Dabei kommt diese schwere Infektionskrankheit in allen Altersgruppen vor und ist besonders für Früh- und Neugeborene eine ernstzunehmende Gefahr. Warum sollte man sich schon in der Schwangerschaft mit dem Thema Pertussis auseinandersetzen?

Albring: Sie sagen es ganz richtig – Pertussis wird leider oft unterschätzt. Dabei handelt es sich um eine hochansteckende Infektionskrankheit, die sowohl für Schwangere als auch Neugeborene ernste Folgen haben kann. Bei Schwangeren kann eine Pertussis-Erkrankung starken Husten mit Atemnot auslösen. Auch Lungenentzündungen sind möglich. Ebenso besteht die Gefahr, dass das viele krampfartige Husten vorzeitige Wehen auslösen kann. Bei Neugeborenen wiederum kann Pertussis schnell lebensbedrohlich werden. Atemaussetzer und Atemstillstände können die Folgen sein. Bei schweren Verläufen sind langwierige Krankenhausaufenthalte notwendig. Es lohnt sich daher, sich schon im Vorfeld mit dieser Erkrankung auseinanderzusetzen, denn gegen Pertussis gibt es eine einfache Schutzmaßnahme – die Impfung.

EFCNI: Seit März 2020 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO), dass sich Schwangere gegen Pertussis impfen lassen sollten. Warum wurde diese Änderung beschlossen?

Albring: Ja, das ist in der Tat richtig. Die neue Empfehlung besagt, dass sich Schwangere zwischen der 28. und 32. Schwangerschaftswoche gegen Pertussis impfen lassen sollten. Bei Verdacht auf eine Frühgeburt sollte entsprechend früher geimpft werden. Jetzt ist es so, dass die STIKO in ihren Empfehlungen stets auf die aktuelle Forschungslage und den Stand der Wissenschaft eingeht. Das haben wir ja auch erst kürzlich bei der COVID-19-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren gesehen. Da wurde ebenfalls erst eine bessere Datenlage abgewartet, bevor die Impfung für diese Altersgruppe empfohlen wurde.

Bei der Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft haben neuere, größere Studien gezeigt, dass diese Impfung Neugeborenen einen guten Schutz vor einer potentiell lebensbedrohlichen Pertussis-Erkrankung bietet. Denn durch die Impfung während der Schwangerschaft übertragen sich Pertussis-Antikörper von der werdenden Mutter auf das Kind, wodurch das Kind dann mit einem ersten Pertussis-Schutz auf die Welt kommt. Das war sicherlich einer der Hauptgründe für die neue Empfehlung – die Impfung ist einfach eine gute Schutzmaßnahme. Sie wird übrigens auch schon in anderen Ländern wie Österreich oder den USA seit vielen Jahren mit gutem Erfolg durchgeführt.

EFCNI: Sie hatten das ja bereits in Ihrer Antwort angedeutet: Durch eine Impfung während der Schwangerschaft übertragen sich Pertussis-Antikörper von der Mutter auf das noch ungeborene Kind. Wie genau funktioniert das?

Albring: Sie müssen sich das so vorstellen, dass durch die Impfung im Körper der Mutter eine große Menge an Antikörpern gegen Pertussis gebildet werden. Diese Antikörper werden dann über die Plazenta auf den Fötus übertragen. Der Fötus erhält dadurch eine Immunisierung gegen Pertussis, also quasi eine passive Impfung. Das ist wichtig, denn Neugeborene haben keinen eigenen Schutz gegen Pertussis. Dieser Schutz wird erst durch eine Impfung aufgebaut, aber Säuglinge können erst ab dem vollendeten 2. Lebensmonat in mehreren Teilimpfungen geimpft werden. Wir haben also eine Schutzlücke nach der Geburt, wo das Neugeborene keine eigene Immunität gegen Pertussis hat und leicht erkranken kann. Wird aber nun in der Schwangerschaft geimpft, übertragen sich die Antikörper und das Kind kommt bereits mit einem Pertussis-Schutz auf die Welt. Dadurch reduziert sich das Risiko für eine Erkrankung in den ersten Lebensmonaten maßgeblich.

EFCNI: Warum wird empfohlen, wirklich in jeder Schwangerschaft zu impfen, selbst wenn ich vielleicht kurz vorher noch meinen Impfschutz aufgefrischt habe?

Albring: Die Impfung in der Schwangerschaft stellt sicher, dass genug Antikörper für eine Übertragung vorhanden sind. Studien haben nämlich gezeigt, dass der Antikörperpegel nach einer Impfung schon nach relativ kurzer Zeit wieder sinkt. Das heißt, dass bei einer Impfung zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr sichergestellt ist, dass genug Antikörper für eine Übertragung auf den Fötus vorhanden sind. Deswegen lautet die Empfehlung der STIKO ja auch, dass wirklich in jeder Schwangerschaft erneut gegen Pertussis geimpft werden sollte. Nur so kann auch die Übertragung des Schutzes auf den Fötus sichergestellt werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal betonen, dass erst durch die Impfung in der Schwangerschaft bei Neugeborenen ein Pertussis-Schutz aufgebaut wird. Viele Frauen denken, dass auch durch das Stillen Antikörper weitergegeben werden. Aber das ist bei Pertussis nicht der Fall. Gestillte Kinder können trotzdem an Pertussis erkranken. Der beste Weg, sein Neugeborenes vor Pertussis zu schützen, ist daher die Impfung in der Schwangerschaft – und zwar in jeder Schwangerschaft.

EFCNI: Was ist der Unterschied zwischen dieser Schutzimpfung und dem sog. Cocooning, bei dem alle engen Kontakte um das Neugeborene herum geimpft werden? Kann es sinnvoll sein, beides zu machen?

Albring: Bei dem Cocooning, auch Kokon-Strategie genannt, wird das engere Umfeld schon vor der Geburt des Kindes geimpft. Das betrifft in erster Linie die Eltern, Großeltern, Geschwister und enge Freund*innen der Familie. Durch die Impfung des engeren Umfeldes gegen Pertussis soll eine Art schützender Kokon um das Neugeborene gebaut werden. Der Hintergrund ist, dass Studien immer wieder zeigen, dass sich Neugeborene in fast 60% der Fälle bei den eigenen Eltern anstecken. Das soll durch die Kokon-Strategie verhindert werden.

Allerdings hat sich in der Praxis gezeigt, dass diese Strategie einfach nicht umsetzbar war und sich viele gar nicht über Impflücken bei Familienangehörigen bewusst waren. Hinzu kommt, dass theoretisch auch geimpfte Menschen den Pertussis-Erreger weitertragen können und den ungeimpften Säugling somit dennoch anstecken könnten. Daher ist aus meiner Sicht die Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft der bessere Weg, da es dem Neugeborenen bereits einen ersten eigenen Schutz mit auf den Lebensweg gibt. Trotzdem kann es sinnvoll sein, dass sich neben der Impfung in der Schwangerschaft auch noch das engere Umfeld impfen lässt. Dann ist wirklich an alle Eventualitäten gedacht.

EFCNI: Nun ist das Thema Impfen in der Schwangerschaft ein sensibles Thema. Was ist aus Ihrer Sicht bei einem Aufklärungsgespräch zur Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft zu beachten? Wie sollte so ein Gespräch gestaltet sein?

Albring: Ich persönlich mache in meiner praktischen Arbeit die Erfahrung, dass es meinen Patientinnen sehr wichtig ist, ihr Kind zu schützen und sie schon in der Schwangerschaft alles dafür tun wollen, damit es gesund auf die Welt kommt. Da stehen natürlich Aspekte wie Ernährung und Bewegung auch sehr im Vordergrund. Wenn ich dann das Thema Impfen anspreche, versuche ich einerseits ruhig und sachlich Informationen zu geben. Andererseits möchte ich meinen Patientinnen auch das Gefühl geben, dass ich ihre Bedenken und Sorgen ernst nehme. Mir ist es deshalb sehr wichtiguf ihre Fragen einzugehen und zu erklären, wie die Impfung funktioniert. Eine gute Vertrauensbasis spielt dabei natürlich auch eine Rolle.

EFCNI: Nun ist die Empfehlung der STIKO ja noch relativ neu und noch nicht allen bekannt. Wie kann das Praxis-Team also sicherstellen, dass es seine Patientinnen rechtzeitig und umfänglich zum Thema Impfen in der Schwangerschaft informiert?

Albring: Nun ist es ja so, dass die Pertussis-Impfung nicht die einzige Impfung ist, die die STIKO in der Schwangerschaft empfiehlt. Dazu gehört seit einigen Jahren auch schon die Impfung gegen Influenza (Grippe). Das heißt, dass das Thema Impfen eigentlich ohnehin schon präsent in den Praxen sein sollte. Es kommt jetzt einfach eine weitere Impfung hinzu. Jede Praxis hat ihre festgelegten Abläufe, was bei einer schwangeren Patientin zu tun ist. Dazu gehört z.B. das Ausstellen eines Mutterpasses, Blutuntersuchungen, das Festlegen von Folgeterminen usw. In diese Abläufe sollten die Impfungen gegen Pertussis und Influenza fest integriert werden. Viele Praxen haben auch Mappen mit Informationsmaterialien für die Schwangere – dort lässt sich auch gut ein Blatt zum Thema Impfen beilegen.

EFCNI: Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr zum Thema Keuchhusten erfahren Sie auch auf unserer Kampagnenwebsite.